Wie der Riese dem Drachen die Zähne gezogen hat

An der Grenze zwischen Kärnten und Slowenien erhebt sich der Frauenkogel, der auf Slowenisch Dovška Baba heißt. Auf der kärntnerischen Seite steigt man hinunter nach St. Jakob im Rosental, und auf der slowenischen Seite gelangt man nach Dovje und Mojstrana.

Tief unter dem Berg, so sagt man, liegt ein See aus purem Gold. So viel Gold gibt es da unten, dass nicht einmal sieben große Schiffe den Schatz bergen könnten, wenn denn jemand wüsste, wie man den verborgenen Eingang zum unterirdischen See findet.

Aber der versteckte Eingang ist nicht das einzige Hindernis. Angeblich bewacht ein siebenköpfiger Drache den Schatz, und dieser Drache hat ziemlich schlechte Laune. Er würde viel lieber draußen herumstreifen und über die Dörfer herfallen. Schon viele hundert Jahre war er hier eingesperrt. Früher war er einfach ins Tal geflogen, hatte sich ein paar Menschen geschnappt, sie in seine Höhle gebracht und gebraten. Heute musste er sich mit Fisch und Grottenolmen zufriedengeben. Denn er konnte nicht ins Freie, und das kam so:

Vor vielen hundert Jahren spürte der Drache eines Morgens einen stechenden Schmerz in einem seiner sieben Mäuler. Der Zahn fühlte sich an, als wäre er aus glühendem Eisen. Der Drache warf sich in seiner Höhle hin und her. Tränen so groß wie Kürbisse rollten aus seinen Augen, und er wusste sich nicht zu helfen. Seine Schmerzensschreie versetzten die ganze Gegend in Angst und Schrecken. Die Menschen dachten, der Drache sei wütend und werde gleich über sie herfallen.

Der Drache wusste, nur einer konnte ihm helfen. Der Riese von Ravne, der wusste, wie man Zahnschmerzen heilt. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als ins Freie zu kriechen und nach dem Riesen zu schreien.

Der Riese saß auf einem Gipfel der Karawanken und machte sich einen ruhigen Tag. Heute hatte noch niemand nach ihm verlangt, kein Bauer brauchte Hilfe bei der Ernte, und keine Kuh hatte sich ein Bein gebrochen. Niemand schleppte große Lasten und brach fast darunter zusammen. Es gab für den Riesen heute wirklich nicht viel zu tun, und deshalb langweilte er sich ein wenig. Als er den Hilferuf des Drachen hörte, sprang er gleich auf und lief über Berg und Tal.

Mit aufgerissenem Maul erwartete ihn der Drache.

„Da, da, der Zahn“, nuschelte der und zeigte mit seinen Krallen auf den entzündeten Zahn.

„Mach weiter auf“, sagt der Riese und steckte seinen Kopf ins Maul des Drachen. „Weiter, ich kann ja gar nichts sehen. Aha. Da, ist er das?“

Der Drache jaulte vor Schmerz, als der Riese an dem Zahn rüttelte.

„Sei nicht so wehleidig. Das werden wir gleich haben.“ Der Riese zog den Kopf wieder aus dem Maul des Drachen und überlegte. „Hör zu, wenn ich dir den Zahn ziehe, dann musst du mir etwas versprechen“, sagte der Riese.

„Ich verspreche alles, jetzt mach schon.“

„Du wirst in Zukunft in deiner Höhle bleiben und auf den Schatz aufpassen. Und da wirst du bleiben, haben wir uns verstanden? Keine Menschen mehr zum Mittagessen, keine Kühe und keine Schafe.“

Wohl oder übel musste der Drache darauf eingehen. Stumm nickte er und hielt dem Riesen das Maul hin. Mit einer mächtigen Zange packte der Riese den Zahn und zog daran. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen das Maul des Drachen, und da knirschte es, und dann gab es ein Knacken, und der Riese kippte samt dem Zahn um. So heftig hatte er gezogen, dass er nicht nur das Gleichgewicht verlor, auch die Zange sprang ihm aus der Hand, und der Drachenzahn purzelte hinunter ins Tal, wo er noch heute zu sehen ist. Als Babji Zob finden wir ihn in der Nähe von Bled. Darunter befindet sich eine 300 Meter lange Tropfsteinhöhle.

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